Marktkommentar zum 1. Oktober 2015
Teil 1: Rückblick
Freigabe des Wechselkurses löst weltweit Kursrückgang aus
Nach dem Wochenende vom 15/16. August gab die chinesische Notenbank bekannt, dass sie künftig den Wechselkurs der heimischen Volkswährung (RNB = Renminbi) gegenüber dem USD mehr den Marktkräften überlassen werde. Diese Entscheidung führte weltweit zu einem massiven Rückgang der Aktienkurse. Die Marktteilnehmer interpretierten diese Entscheidung als Indiz, dass die wirtschaftliche Entwicklung in China deutlich schwächer sei als bis dorthin angenommen.
Smart Money beschleunigt Kursrückgang
Der Kursrückgang wurde durch massive Tradings des „Smart Money“ (Marktteilnehmer, die mit hohen Summen und meist sehr kurzfristig spekulieren) beschleunigt. An einem frühen Montagmorgen, wenn erst wenige Marktteilnehmer aktiv sind, genügen relativ kleine Verkaufsorders, um die Kurse in Bewegung zu bringen. So geschah es auch am Montag, den 17. August 2015. Erste Verkaufsorders führten zu einem Kursrückgang. Damit gingen die ersten knapp gesetzten StopLoss-Orders in den Markt. Die damit ausgelöste Verkaufswelle brachte weitere StopLoss-Orders in den Markt.
Verkaufswellen, die wie die Kaskaden eines Wasserfalles aufeinander folgten, führten zu einem massiven Kursrückgang in allen Aktienmärkten. Der Weltindex (in der Grafik dargestellt am Beispiel des iShares MSCI World) fiel innerhalb von vier Handelstagen um mehr als zwölf Prozent.
Technische Erholung in der Folgewoche
Auf den scharfen Rückgang folgte – wie in solchen Marktphasen stets zu beobachten – zunächst eine ebenso schnelle Erholung. Dies ist die übliche „technische“ Reaktion: die irrational über-verkauften Kurse führten zu Eindeckungskäufen von Short-Spekulanten und wohl auch zu den ersten Käufen von Schnäppchenjägern. Der Weltindex legte in vier Handelstagen wieder um fünf Prozent zu. Seit Ende August pendelt der Weltindex in einem Handelsband auf einem Niveau, das etwa zehn Prozentpunkte unter dem Niveau per Anfang August liegt.
Staatsanleihen der EM mit Kursverlusten
Die Kurse der Staatsanleihen der Emerging Markets in jeweils lokaler Währung gingen aus Sicht eines Euro-Anlegers ebenfalls stark zurück. Dies lag mehr an einer massiven Abwertung der Währungen der Emerging Markets gegen den Euro als an einer Zinserhöhung. Der Index für weltweite Bonds in lokalen Währungen der EM (hier dargestellt am Beispiel des iShares ETF für Local Government Bonds der Emerging Markets, schwarze Linie) fiel um über zehn Prozent.
HighYields mit Verlusten – Staatsanleihen in Euro stabil
Auch die Bewertung von High-Yield-Bonds (blaue Linie) ging zurück. Anleihen in Euro (dünne rote Linie für Investmentgrade-Anleihen in Euro und grüne Linie für Covered Bonds in Euro) bewegten sich fast nicht. Dies bedeutet, dass der seit vielen Jahren gewohnte Zusammenhang (wenn die Aktienkurse fallen, steigen die Anleihekurse) im August durchbrochen wurde. Die Verluste bei Aktien wurden nicht wie gewohnt durch Gewinne mit Anleihen ausgeglichen.
Sehr günstiges Kaufniveau für Aktien
Nach der außergewöhnlichen Entwicklung der letzten Woche sind per Ende September die Kurse von Aktien (und dies weltweit über alle Regionen, Länder und Branchen) als auch die Kurse von Anleihen in den Emerging Markets (in Euro betrachtet) auf einem tiefen Niveau.
Teil 2: Ausblick
In welchen Märkten besteht für die folgenden Monate eine vernünftige Chance auf Wertzuwachs? Betrachten wir die Märkte systematisch und entscheiden wir sodann, wie aussichtsreich eine Investition in die dem jeweiligen Teilmarkt sein könnte.
Anleihen Investmentgrade in Euro
In der Eurozone liegt das Zinsniveau der Anleihen auf einem extrem niedrigen Niveau. Dies bedeutet:
- mit wesentlichen Kursgewinnen durch (weitere) Zinssenkungen ist nicht zu rechnen. Andererseits ist das Risiko von Zinserhöhungen und damit Kursverlusten für die nächsten Monate gering, da die EZB mit ihrem Anleihekaufprogramm fortwährend stabilisierend auf den Anleihemarkt wirkt.
- Die Zinserträge sind so gering, dass sogar eine geringfügige Zinserhöhung und der damit verbundene Kursverlust nicht mehr durch die Zinserträge kompensiert werden könnte.
Fazit: die Chancen auf Wertzuwachs sind sehr gering, ein Restrisiko bleibt. => keine Investition
Anleihen Non-investmentgrade in Euro
Etwas höhere Zinserträge bieten die High-Yield-Anleihen der Eurozone. Einem Mehrertrag von zwei bis drei Prozent steht jedoch das Risiko von Kursverlusten gegenüber, wenn eine Verkaufswelle beginnt. Die Liquidität im Markt ist heute wegen der deutlich schärferen Regulierungen des Bankensektors deutlich geringer als früher. Die EZB wird vielleicht als Käufer auftreten, jedoch nur in geringem Umfang.
Fazit: das Risiko ist höher als die Chancen aus den auch hier geringen Zinserträgen. => keine Investition.
Anleihen Investmentgrade in USD
Staatsanleihen der USA und auch Unternehmensanleihen bester Bonität bedeuten für den Euro-Anleger:
- sehr geringe Zinserträge und geringe Kursschwankungen bei kurzen Laufzeiten
- moderate Zinserträge bei langen Laufzeiten, dort aber mit hoher Wahrscheinlichkeit demnächst Kursverluste wegen Zinssteigerungen
- Abbildung der Wechselkursveränderungen USD zu Euro
Wir erwarten für die nächsten Monate in den USA den Beginn von Zinserhöhungen der Notenbank, in der Eurozone dagegen weiterhin niedrige Zinsen, gestützt durch ein Anleihekaufprogramm der EZB. Dies führt tendenziell zu einer Aufwertung des USD gegen den Euro.
Fazit: Investmentgrade-Anleihen in USD mit kurzen Laufzeiten bieten dem Euro-Anleger die Chance auf Aufwertungsgewinne aus dem USD bei überschaubaren Risiken. => kann als Investment mit geringen Wertschwankungen genutzt werden.
Anleihen Non-investmentgrade in USD
Die HighYield-Anleihen in den USA bieten attraktive Zinserträge, jedoch auch ein stark erhöhtes Risiko von Kursverlusten.
- der Beginn eines Zinserhöhungszyklus der Fed wird auch bei HighYield-Anleihen zu höheren Zinsen und damit zu Kursverlusten führen.
- das wirtschaftliche Umfeld in einzelnen Branchen verschlechterte sich. Auf dem Gebiet des Fracking und in der Exportwirtschaft haben sich die Risiken durch stark gesunkene Preise (Fracking) und erhöhten Wettbewerb zufolge der Aufwertung des USD gegen den Euro, jüngst auch gegen fast alle EM-Währungen, erhöht. Dies kann zu Ausfällen führen.
- die Banken können heute zufolge der immer stärkeren Regulierung ihre Funktion als MarketMaker weniger erfüllen als früher. Eine Verkaufswelle würde kaum abgefedert und zu schnell fallenden Kursen führen.
- Anleihen in USD von Unternehmen der Emerging Markets sind attraktiv verzinst. Jedoch besteht bei zahlreichen dieser Unternehmen, die ihre Erträge in der Währungen ihres jeweiligen Standortes erzielen, dass der Kapitaldienst für die USD-Anleihen nach den heftigen Abwertungen ihrer Heimatwährungen eine zunehmende Bürde wird. Dies kann zu einzelnen Ausfällen führen.
Fazit: Investition ist risikoreich => unterlassen.
Anleihen Non-investmentgrade in lokalen Währungen der Emerging Markets
Die lokalen Währungen der Emerging Markets haben seit Anfang August fast alle sehr starke Abwertungen gegen den USD erfahren. Dies nährt die Erwartung, dass eine Gegenreaktion folgt und diese Währungen wieder an Kaufkraft gegen den USD gewinnen. Ich teile diese Erwartung grundsätzlich, fürchte jedoch, dass der Turnaround noch mehrere Wochen, vielleicht sogar zwei bis vier Monate, auf sich warten lässt. Zinserhöhungen der Fed könnten den Kapitalabfluss aus diesen Investments noch einmal beschleunigen und damit noch einmal zu Abwertungen führen. Insofern sind diese Anleihen bezüglich ihrer Zinserträge attraktiv, jedoch mit dem Risiko von weiteren Kursverlusten aus einer weiteren Abwertung dieser Währungen verbunden. Es ist damit ein Markt, der von Woche zu Woche neu beurteilt werden sollte.
Fazit: derzeit noch keine Investition. => überzeugenden Turnaround abwarten.
Aktien im Euroland mit guten Chancen für die nächsten Monate
Die Kurse der Aktien in der Eurozone haben wie der Weltindex nachgegeben. Die wirtschaftliche Situation im Euroland hat sich jedoch nicht wesentlich verändert: die Wettbewerbs-Situation der Exporteure ist mit dem günstigen Wechselkurs des Euro vor allem gegen den USD weiterhin gut, die Wirtschaft in der gesamten Eurozone entwickelt sich zwar schleppend langsam, aber positiv. Die Arbeitslosigkeit nimmt (ebenfalls schleppend langsam) weiterhin ab.
Einen besonders herben Kursrückgang erlebten die Werte der Autobauer, allen voran VW. Die Affäre um manipulierte Abgasmesswerte wird weltweit hochgespült. In ein bis zwei Monaten wird sich die mediale Entrüstung wieder beruhigt und die sachliche Aufarbeitung der Angelegenheit begonnen haben. Die Affäre um klemmende Gaspedale bei Toyota, die angeblich mehreren Dutzend Todesfällen führten, ist längst aufgearbeitet – und Toyota ist immer noch der größte Autobauer der Welt. Die defekten Zündschlösser von Fahrzeugen von GM führten zu über fünfzig Todesfällen. GM hat die Angelegenheit aufgearbeitet und baut immer noch Autos. Die manipulierten Abgasmessungen führten nicht zu Todesfällen.
Die EZB hält an ihrem Anleihekaufprogramm fest. Wenn die Inflationsziele damit nicht erreicht werden, könnte dieses Programm ausgeweitet und verlängert werden, was die Aktienmärkte noch einmal anschieben würde. Gleichzeitig sind immer mehr institutionelle Anleger, die die vergangenen zwanzig Jahre hohe Anleihebestände hielten, gezwungen, sich nach Alternativen umzusehen.
Fazit: Der Aktienmarkt im Euroland erscheint – basierend auf den derzeit extrem gedrückten Kursen – für die kommenden Wochen und Monate aussichtsreich. => investieren.
Aktien USA mit moderaten Chancen
Die Wirtschaft in den USA wächst weiterhin mit einer Wachstumsrate von zwei bis zweieinhalb Prozent. Die Gewinne der Unternehmen, die die Aktienkurse über die KGV-Betrachtung wesentlich beeinflussen, könnten die kommenden Monate allerdings etwas moderater steigen als bisher. Der Abbau der Arbeitslosigkeit führt zu steigenden Arbeitskosten, der starke USD schränkt die Preisbildungsmacht der Exporteure etwas ein.
Wenn die Fed die Zinsen erhöht, wird dies die Tendenz zu einer Aufwertung des USD gegen andere Währungen stärken. Gleichzeitig steigen die Finanzierungskosten, was auch die Tendenz zu Aktienrückkäufen etwas bremsen könnte. So führt eine stabil laufende Konjunktur mit einem GDP von zwei bis zweieinhalb Prozent nicht vollautomatisch zu steigenden Aktienkursen.
Der in Euro denkende Anleger muss zusätzlich die Effekte von Wechselkursveränderungen berücksichtigen. Diese Seite führt zu einem positiven Argument: der Beginn von Zinserhöhungen in den USA bei gleichzeitig weiter tief bleibenden Zinsen in der Eurozone sollte zu einer Aufwertung des USD gegen den Euro führen.
Fazit: Die Aktienkurse in den USA könnten weiter moderat zulegen. Eine Aufwertung des USD bedeutet für Anleger aus anderen Währungsräumen einen zusätzlichen Vorteil. => investieren.
Aktien Japan mit sehr guten Chancen
Die Wirtschaft in Japan wächst nicht so schnell wie es Premierminister Abe gerne sehen würde. Auch die Inflation zieht nicht so stark an wie gewünscht. Das eher verhaltene Wirtschaftswachstum wird die BoJ (Bank of Japan, Notenbank in Japan) vermutlich veranlassen, die unterstützenden Maßnahmen auszuweiten. Noch mehr Liquidität führt erfahrungsgemäß zu steigender Nachfrage nach Assets. Die unter Plan liegenden Einkommensteigerungen bremsen die Konsumbereitschaft der Arbeitnehmer, führen andererseits jedoch über die geringeren Arbeitskosten auch zu steigenden Gewinnen der Unternehmen.
Eine Ausweitung der BoJ-Unterstützung führt auch zu fortgesetzt niedrigen Wechselkursen gegenüber dem USD-Raum und anderen Währungsräumen, was den Exporteuren Vorteile gegenüber dem internationalen Wettbewerb verschafft und zu steigenden Margen und Gewinnen führt.
Fazit: der japanische Aktienmarkt hat noch erhebliches Potential. => Investition ist aussichtsreich.
Aktien der Emerging Markets holen Luft
Nahezu alle Emerging Markets haben die letzten Wochen deutliche Verluste erlitten, wenn wir die jeweiligen Aktienmärkte aus unserer Sicht in Euro bewerten. Dies ist mehr auf die Abwertung der jeweiligen Währungen als auf die Kursrückgänge im lokalen Aktienmarkt zurückzuführen.
Nach dem nun schon lange andauernden Rückgang wird wieder eine Erholung folgen. In vielen Emerging Markets sind die Ursachen für den Kursrückgang allerdings nicht so schnell zu beseitigen. Die in einigen Ländern vorherrschende Korruption, angefangen von der höchsten Ebene der politischen Führung bis zum einfachsten Beamten in der Etappe, hohe Schulden der Unternehmen in USD (die nach der Abwertung der Heimatwährung zu einer schweren Bürde geworden sind) und der dramatische Einbruch der Staatseinnahmen aufgrund der gesunkenen Preise für Öl und weitere Rohstoffe sind nur einige der Probleme.
Die Zeit der „Emerging Markets“ wird wieder kommen. Ich zweifle jedoch daran, dass wir die Wende bereits in den nächsten Wochen erleben werden. Darüber hinaus ist jedes Land separat zu beobachten, wie schnell und wie überzeugend die vorherrschenden Probleme gelöst werden. Am Beispiel Indien zeigt sich, dass die starken Hoffnungen auf durchgreifende Reformen nach Amtseinführung von Premier Narendra Modi von einer starken Opposition deutlich gedämpft wurden.
Starke Impulse werden von China ausgehen. Wenn die dort von der politischen Führung in Gang gesetzten Maßnahmen zur Stimulierung der Wirtschaft (Erhöhung der Kreditverfügbarkeit, Senkung der Zinsen, erneut massive Investition in gewaltige Infrastrukturprojekte, …) Wirkung zeigen, wird dies die Nachfrage nach Rohstoffen stärken und das Vertrauen in die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft wieder festigen. Diese Entwicklung könnte einen Turnaround im gesamten asiatischen Raum und darüber hinaus bei den großen Rohstoff-Exporteuren in Gang setzen.
Fazit: Aktienmärkte in den EM brauchen noch etwas Zeit => warten
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